Déjà-vu

Jetzt hatte ich doch gedacht, an manchen Stellen in meinem Leben ein bisschen weitergekommen zu sein, zum Beispiel den Idealismus der Anfang-30er-Jahre durch eine gesunde, pragmatische Haltung ersetzt zu haben. Es ist wie es ist. Stein rollen und ein glücklicher Mensch sein.

„Nur nicht den Idealismus verlieren“, sagte einer meiner frühen Chefs aus der Konzernleitungsetage einmal, nachdem er eine meiner zahlreichen Schnapsideen abgebügelt hatte – mit väterlicher Nachsicht, wie mir damals schien, oder machte er sich doch über mich lustig? Schwer vorstellbar, denn nichts war ihm wesensfremder als das Stilmittel der Ironie. Lustig machte er sich höchstens heimlich. Nicht den Idealismus verlieren, das ist einer dieser beiläufig formulierten Sätze, die das Potenzial haben, einen ein Leben lang zu begleiten. Oder zu verfolgen.

Ironie war lange das Mittel meiner Wahl, mehr sanfter Spott – in der Hoffnung, die anderen würden schon irgendwann mal merken, dass … – als böser Sarkasmus. Das Bittere ist nicht in mir angelegt. Bevor ich den Schritt in die Verbitterung hinein gehe, ziehe ich mich zurück. Allerdings leckt die bittere Suppe dann meist schon an meinen Zehen. Was wiederum mit dem Idealismus zu tun haben muss, der sich partout nicht verlieren will und mich vielleicht mitunter länger ausharren lässt als mir guttut.

Ist das mit dem Schreiben also nun eine Schnapsidee?

In jedem Fall ist es ein Dilemma: Man muss sich ganz hineinbegeben, wenn’s was werden soll, und soll doch gleichzeitig Abstand wahren, wenn man bei Trost bleiben will. Man muss sich die Seele aus dem Leib schreiben und soll doch stets über allem stehen, was danach damit passiert. Oder nicht passiert. Wasch mich, aber mach mich nicht nass! Klassischer Double-bind. Führt bei passender Prädisposition direkt in die Klapse.