Unendliche Weiten

Jetzt ist er also raus, der Roman, und ich versuche aus meiner Schlüssellochperspektive in die weite Welt zu linsen, um zu sehen, wie es ihm wohl so ergeht, dem Sprössling. Ich pilgere zur örtlichen Buchhandlung und schleiche um den kleinen Tisch in der Belletristik-Abteilung. Da liegt es, das Kindlein, zwischen „Unsre Frau in Pjöngjang“ und „Lola“! Moment mal, wusste gar nicht, dass meine Figur Carola „Lola“ Pardus schon ihr eigenes Spin-off-Buch hat … Im Hintergrund grüßt passend  „Der große Wahn“.

Getrieben von der Hoffnung auf Widerhall füttere ich das große schwarze Loch, in dem Harald Klein und seine Kollegen verschwunden sind, mit E-Mails, Social-Media-Posts und  Visitenkärtchen. In meinem Kopf spuken Marketingkennzahlen aus meinem früheren Leben herum – Response-Rate, Conversion-Rate – aber, wenn ich ehrlich bin, dann ist das wohl der Versuch, der irrationalen Erwartung, dass jeder nur auf mein Buch und auf die Gelegenheit, mir mit mehrseitigen Lobpreisungen zu antworten, gewartet hat, eine rationale Erklärung entgegenzusetzen, warum das eben nicht so ist.

Um so feierlicher ist es mir dann zumute, wenn tatsächlich mal ein Lichtstrahl durchs Schlüsselloch fällt. Eine Bekannte schreibt (ganz von allein) von ihrer „Ehrfurcht vor der Wortgewandtheit und dem Wortwitz der Autorin“, ein Freund, der sonst eher zur kritischen Sorte gehört, vermeldet, dass sich das Buch zum echten Pageturner entwickle und obwohl er eigentlich keine Zeit zum Lesen habe, sei er schon auf Seite dreihundertpaarunddreißig …

Ein noch viel größeres Rätsel ist aber, was sich jenseits der von mir persönlich erreichbaren Spähren abspielt? Wie schafft man es über die innersten konzentrischen Familien- , Freundes- und Bekanntenkreise hinaus?

Wie kommt eine Autorin, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat, in die unendlichen Weiten des Literaturbetriebs?

Natürlich gibt es eine erfahrene Verlags-Crew, die schon seit Jahren in diesem Universum herumschippert: Captain Klöpfer, erster Offizier Schuska, Kommunikationsoffizier Rieger und Quartiermeister Fecke. Während die allerdings auf der Brücke sitzen, muss ich mich mit den Logbucheinträgen begnügen, die mich gelegentlich erreichen.

Da sind wir schon wieder beim Schlüsselloch, und durch dieses bombardiere ich die Damen vom Verlag mit nahliegenden und abseitigen Vorschlägen, wohin man medial und eventtechnisch noch steuern könnte. Und nebenbei werfe ich ab und zu selbst eine Flaschenpost vom Raumschiff. Nützt’s nichts, so schadet’s doch auch (hoffentlich) nicht.