Um was es geht

Sollte eigentlich ganz einfach zu beantworten sein die Frage, schließlich habe ich das Buch ja geschrieben. Um was geht’s denn in Ihrem Roman? Ahem. Also. Ja.

Hilflos drehe ich das Buch auf den Rücken und betrachte den Text auf der U4 (so nennt man das, Umschlagseite 4, auch wenn’s keinen Umschlag gibt aus Umweltschutzgründen). Es geht um Anne und Stéphane. Ja schon. Aber nicht nur.

Wie soll ich etwas in ein paar Sätzen zusammenfassen, wofür ich vorher 200 Seiten gebraucht habe? Also einfach mal loslabern.

Es geht um eine emotionale Ausnahmesituation. Anne und Stéphane rauschen unerwartet und ungebremst ineinander. Sie schreibt seit kurzem Romane, er singt schon lange Chansons. Erst reden sie, dann mailen sie sich über Kunst und Kreativität, und das ist alles so unerhört aufregend, und dann kommt auch noch diese unfassbare körperliche Anziehung dazu, die durch das in der Phantasie umeinander Herumgehen nur immer stärker wird. Und plötzlich steht die Frage im Raum: Soll ich oder soll ich nicht? Er trägt ihr eine heimliche Affäre an.

Und es geht um das, was dieser Antrag heraufbeschwört. Es geht’s ums Erinnern. Das hat mich persönlich interessiert: wie und warum wir uns erinnern. Erst kommen sie einfach nur, Annes zwanzig Jahre alte Erinnerungen an vergangene Beziehungen, Fast-Beziehungen, Nicht-Beziehungen, scheinbar wahllos und unverbunden, aber bald wird klar, dass alles, was da aufgewirbelt wird, etwas mit Stéphane und der Kunst, für die er steht, und mit der anstehenden Entscheidung zu tun hat. Die Erinnerungen tragen neue Farben oder werden absichtlich blass gehalten.

Da gibt es die Hirn-Erinnerungen, die meine Ich-Erzählerin warnen: Liebe auf den ersten Blick? Das gibt’s doch gar nicht, mach dich doch nicht lächerlich. Und verletzlich. Und es gibt Herz-Erinnerungen, die sagen: Was wäre, wenn doch? Wenn es das nicht gibt, warum fühlt es sich dann auf einmal so an? Nicht umsonst trägt der letzte der kurzen poetischen Texte am Ende des Buchs den Titel „Hirnherz“ …

„Ich bin eine ganz eigene Spezies. Ich bin eine Kopffühlerin, eine Herzdenkerin. Ich bin von allem etwas und doch ganz verkehrt.“

Lichte Horizonte, S. 200.

Und auf einmal merke ich als Schriftstellerin, dass das ganz ähnlich ist mit dem Verlieben und dem Schreiben. Wie weit kann man die Kontrolle behalten und wann muss man bereit sein, sich fallen zu lassen, sich dem Prozess einfach auszuliefern, damit etwas werden, etwas entstehen kann, was mehr als nur ganz in Ordnung ist?

(Was ich Dana Grigorcea und Perikles Monioudis erzählt habe, um was es geht … )