Heiteres Beruferaten

 

Ich bin jetzt Schriftstellerin. Bin ich jetzt Schriftstellerin?

Irgendwann in der Schule – wahrscheinlich waren wir in der Mittelstufe, aber so genau weiß ich das nicht mehr – fanden unsere Lehrer oder der Lehrplan, dass es eine gute Idee sei, sich mit der Berufswahl eingehender zu beschäftigen. Also fuhren wir ins BiZ, das Berufsinformationszentrum, irgendeines Arbeitsamtes. Das gibt’s übrigens immer noch, wie ich kürzlich in Leipzig bei meiner Lesung im „Job Club“ feststellen durfte.

Im BiZ der 1980er Jahre reihten sich meterweise sauber beschriftete Ordner in alphabetischer Reihenfolge aneinander, darin abgeheftet: Faltblätter zu allen nur erdenklichen Berufen, mit Kurzbeschreibung, erforderlichen Qualifikationen und Verdienstmöglichkeiten. Vermutlich weil sich die Beschreibung wenigstens annäherungsweise mit dem vereinbaren ließ, was mir lag, kopierte ich mir aus einem der letzten Ordner das Faltblatt mit der Überschrift „Redakteur/Redakteurin“. Ich erinnere mich gut an die tröstliche Sicherheit, die von diesen Seiten ausging. Um irgendwann zu sein, was man werden wollte, musste man nur einen Katalog von Punkten erfüllen. Am Ende der Liste, wie nach Vollendung eines Zauberspruchs, war man dann dieses Etwas und damit auch ein Jemand.

Dass es damals auch das Faltblatt „Schriftsteller/Schriftstellerin“ gab, wage ich zu bezweifeln.

Der Brockhaus jedenfalls fasst in aller Kürze zusammen: „Schriftsteller, (berufsmäßiger) Verfasser literarischer Werke.“

Das Lexikon, das übrigens heute noch konsequent nur die männliche Form aufführt, schweigt sich natürlich über erforderliche Qualifikationen und Verdienstmöglichkeiten des Schriftstellers aus. Wikipedia versucht eine Annäherung über die Wortherkunft (die mir als alte Sprachhistorikerin etwas, sagen wir mal, lückenhaft vorkommt) und über eine Art Selbstbild-Fremdbild-Beschreibung. Von Schriften mit literarischem Anspruch ist da die Rede, keinesfalls erschienen im Selbstverlag, von Verkaufszahlen und Rezensionen und von der Möglichkeit, damit „seinen Lebensunterhalt … zu bestreiten“. Ob es sich bei dieser Aufzählung um ein aufeinander aufbauendes System, quasi die vier Grade der Schriftstellerei, handelt?

Wo die Theorie nicht weiterhilft, bedarf es der Empirie. Meine bisherige Feldforschung hat ergeben: Schriftsteller, das sind so betont nachlässig gekleidete Existenzen, die mit jeder sprachlichen Absonderung, die sie in die Welt entlassen, ihren geschliffenen Geist demonstrieren müssen, oder zumindest ihre coole Intellektualität. Das ist die Fortsetzung des Germanistikstudenten mit anderen Mitteln. Manche sind auch einfach nur so Nette (nicht mit der Gedichtform zu verwechseln). Meist sind es Männer in Hemden, ohne Krawatten, mit Sakkos in gedeckten Tönen, eitle Männer mit manikürten Händen, die Rotwein trinken und nach Italien fahren, wie die Redakteure oder Studienräte, die sie auch fast geworden wären. Und Schriftstellerinnen? Fortsetzung folgt.