Kraut

Vorsichtig mache ich zwei Schritte in das Feld hinein. Dreck quillt unter meinen Schuhspitzen und hinterlässt einen breiten Rand. Ich gehe in die Hocke, betaste den Krautkopf mit klammen Fingern, die glatte, ledrige Haut, die plastischen Blattadern. Ich nehme den Kopf hoch, drehe ihn um, betrachte das Gekräusel in seinem Inneren, fragil und stabil zugleich, zäh und zart. Ein Krauthirn. Wenn man den Menschen in die Köpfe schauen könnte!

Was man sehen kann: Wo alles beginnt und dass alles zusammenhängt. Am dicken Ende sitzt der Strunk, daraus wachsen sechs Arme hervor. Der Krautstrunk reckt die Arme, als wollte er sie über dem Kopf zusammenschlagen, und bleibt auf halben Weg stecken. Mit erhobenen Händen ergibt er sich in sein Schicksal. Die Blätter legen sich in Falten, verfranzen sich, fransen aus in feine Fältchen, die jeden Zwischenraum füllen. Erst zur Spitze hin ordnen sie sich wieder zu klaren Schichten, von innen nach außen jedes Blatt eine Nuance dunkler, und alles fest umschlossen von einem Schutzmantel, der das Chaos im Inneren birgt.

Zeichnung: Hans-Jörg Straub, Literarisches Forum Oberschwaben 2025